Der Grüne Kreisverband Hameln-Pyrmont hat am Donnerstag, 07. Mai, die folgende Positionierung einstimmig verabschiedet (als PDF laden):
„Wir, der Kreisverband Bündnis 90/Die Grünen, begrüßen das in den zuständigen Ausschüssen und Räten der Städte Hameln und Bad Pyrmont sowie im Kreistag Hameln-Pyrmont verabschiedete „Eckpunktepapier“ (PDF). Wir teilen die darin benannten „Leitziele und Rahmenbedingungen“ für die Sekundarstufen I und II [1], sehen jedoch weitere Herausforderungen, die wir im Folgenden näher erläutern.
Unserer Meinung nach bedürfen, im Sinne einer gelingenden Schulentwicklungsplanung im Landkreis Hameln-Pyrmont, folgende Aspekte einer besonderen Aufmerksamkeit:
- Der demographische Wandel reduziert die Zahl der Schülerinnen und Schüler im Landkreis in erheblichem Maße (siehe Abb. 1). Schon allein die Tatsache, dass sich der demografische Wandel in den Landkreisgemeinden auch auf die Schülerzahlen in den Städten Hameln und Bad Pyrmont auswirkt, verlangt nach einer ernsthaft betriebenen und tatsächlich koordinierten Schulentwicklungsplanung für den gesamten Landkreis.
Die Politik, die Verwaltung und auch viele engagierte Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Hameln-Pyrmont und in den Städten Hameln und Bad Pyrmont, beschäftigen sich seit Jahren mit der Zukunft des hier vorgehaltenen und vorzuhaltenden Bildungsangebots (Abb. 2).
In der Prüfungsmitteilung des Niedersächsischen Landesrechnungshofes (LRH) vom 05.11.2014 wurde jedoch festgestellt, dass beispielsweise der Schulträger Landkreis Hameln-Pyrmont die von ihm erarbeitete Projektskizze zur Schulentwicklungsplanung „nicht mit dem kreisangehörigen Schulträger Stadt Bad Pyrmont und Stadt Hameln abgestimmt [habe]“ (Vorlage 257/2014, S. 10). Und auch die „kreisangehörigen Schulträger Stadt Bad Pyrmont und Stadt Hameln […] nur den Bestand und die Entwicklung ihrer Schulen und deren Standorte [betrachteten].“
Der Landesrechnungshof empfiehlt, „den Schulträgerbegleitausschuss als Instrument für die regionale Schulentwicklungsplanung zu nutzen.“ (Vorlage 257/2014, S. 11). Grundsätzlich hielten wir dieses Vorgehen für sinnvoll – wir haben jedoch nicht den Eindruck, dass der Schulträgerbegleitausschuss in seiner jetzigen Zusammensetzung wirklich tragfähige Ergebnisse liefern könnte.
In der Folge der o. g. Prüfungsmitteilung des LRH haben die Schulträger unseres Landkreises – unabhängig von der Arbeit im Schulträgerbegleitausschuss – in den letzten Monaten dann ein gemeinsames Eckpunktepapier erarbeitet, das den Stand der Dinge für eine gemeinsame Schulentwicklungsplanung in den Sekundarbereichen I und II in den beiden Städten und im Landkreis Hameln-Pyrmont aufzeigt.
Dieses Eckpunktepapier wurde darüber hinaus mit den betroffenen Schulleitungen abgestimmt und von allen zuständigen Gremien zumeist einstimmig verabschiedet.
Es wird darin betont, dass man bestrebt sei, sich auf eine gemeinsame Schulentwicklungsplanung in den o. g. Bereichen zu verständigen, „Einvernehmen über künftige Leitziele und Rahmenbedingungen der Schulentwicklung herzustellen und Doppelstrukturen zu vermeiden“ (Anlage 255/2014, S. 01).
Zudem hat man sich auf „Leitziele und Rahmenbedingungen“ geeinigt, die ein „bedarfsgerechtes und regional ausgeglichenes schulisches Bildungsangebot im Landkreis“ sicherstellen sollen.
Das Eckpunktepapier stellt für die Verwaltungen somit die Grundlage dar, auf deren Basis nun weiter geplant werden soll.
In den „Entwicklungsplanungen Kindertagesbetreuung und Schulen“ wurde von der Stadt Hameln im November 2014 betont, dass das „Oberziel, die Stadt Hameln als attraktiven Schulstandort zu festigen [2] […] ausdrücklich auch für die Aufstellung eines gemeinsamen Schulentwicklungsplanes im Landkreis Hameln-Pyrmont [gelte].“ Dies sei „eine maßgebliche Gestaltungsvorgabe von Seiten der Stadt Hameln, z.B. bei der Steuerung von Schüler/innen-Strömen innerhalb des Landkreises.“ Entgegen den Annahmen des LRH sieht die Stadt Hameln daher sogar eine leicht ansteigende Zahl von Schülerinnen und Schülern in den Klassen 5 bis 10 für das Jahr 2019/20 (Entwicklungsplanungen, S. 28 und Schulberichte 2014 – siehe hierzu auch Abb. 3 und 4). Eine solche Entwicklung würde jedoch nur zu Lasten der weiterführenden Schulen im Landkreisgebiet möglich sein.
In der Begründung zur Beschlussvorlage des Eckpunktepapiers des Stadtrates Bad Pyrmont heißt es außerdem, dass Verwaltungsvertreter „der Städte Hameln und Bad Pyrmont […] ausdrücklich die Formulierung ausgeschlossen [haben], dass auf der Basis des Eckpunktepapiers eine einheitliche Schulträgerschaft angestrebt wird. Die anwesenden Vertreter/innen der Schulen der Städte Hameln und Bad Pyrmont haben ebenfalls auf Nachfrage erklärt, dass sie keinesfalls eine einheitliche Schulträgerschaft begrüßen bzw. anstreben.“ (Vorlage 20/2015, S. 2)
Fraglich ist, wie vor diesem Hintergrund – und dem hier durchscheinenden Konflikt – eine ausgewogene und die Interessen der einzelnen Schulträger berücksichtigende, koordinierte Planung durchgeführt werden kann.
Die im Eckpunktepapier geäußerte Einschätzung, dass die „drei Schulträgerlinnen […] schulische Angebote vor[hielten], die sich ergänzen und aufeinander abgestimmt sind“ (Anlage 255/2014, S. 1) können wir folglich leider nicht teilen.
Sowohl vor diesem Hintergrund, als auch mit Blick auf die Herausforderungen sinkender Schülerzahlen und den anstehenden Investitionen in die Ausstattung und die bauliche Substanz der Schulen, halten wir daher grundsätzlich an unserer Forderung nach einer Schulträgerschaft beim Landkreis fest (einstimmige Resolution des Grünen Kreisverbandes zur Schulträgerschaft vom Februar 2014). Dies würde die erforderlichen Entscheidungsprozesse vereinfachen sowie Ressourcen und Steuerungsinstrumente bündeln.
Um eine dauerhaft gelingende Bildungslandschaft zu gewährleisten ist es nach unserer Auffassung sinnvoll, die Schulentwicklungsplanung nicht länger für die Städte Hameln und Bad Pyrmont getrennt, sondern gemeinsam mit den Landkreisschulen in Hessisch Oldendorf, Bad Münder, Aerzen, Emmerthal und Salzhemmendorf fortzuschreiben und die jeweiligen Schulleitungen einzubinden.
In einem Offenen Brief der Leitungen der weiterführenden Schulen der Städte Bad Pyrmont und Hameln vom Februar 2014 wurde infrage gestellt, „ob die enormen Kraftanstrengungen in den kommenden Jahren noch über die Aufteilung auf drei Schulträger gewährleistet werden können.“ Man begrüße daher „die Aufnahme von Gesprächen zwischen den Städten Bad Pyrmont und Hameln und dem Landkreis Hameln-Pyrmont zur Klärung der Schulträgerschaft mit dem Ziel der gemeinsam getragenen Verantwortung.“ (Offener Brief, S. 1)
Darauf bezugnehmend hielten wir eine Zusammenlegung der Schulträgerschaft für nicht nötig, wenn für den gesamten Landkreis eine pädagogisch sinnvolle, bedarfsgerechte, finanziell verantwortbare und regional ausgeglichene Schulentwicklungsplanung gewährleistet werden könnte. Wir sehen jedoch nicht, wie und von wem die in Teilen (verständlicherweise) divergierenden Interessen der drei Schulträger sinnvoll koordiniert und für eine erfolgversprechende Schulentwicklungsplanung verwaltungsübergreifend zusammenzufassen wären.
Auch der Schulträgerbegleitausschuss kann und wird dies unserer Meinung nach nicht leisten können.
Was von den Verwaltungen nach der nun erfolgreichen Verabschiedung des Eckpunktepapiers geleistet werden muss – und dies sollte unserer Ansicht nach als nächste Aufgabe festgeschrieben werden – ist die Erstellung eines Fahrplans für die Umsetzung der einheitlichen Schulträgerschaft für die Sekundarstufen I und II in der Hand des Landkreises.
Unter Einbindung der Politik und der betroffenen Schulleitungen wird der Landkreis und werden die Städte in Form eines Konsultationsprozesses diesen konstruktiven und transparenten „Fahrplan“ erarbeiten. [3] Auf dessen Grundlage ist es dann möglich, kommende Herausforderungen sinnvoll zu erfassen und zu beschreiben. Nur auf diesem Wege kann in der Konsequenz eine breit gefächerte, ausgewogene und qualitativ hochwertige Beschulung (bei sinkenden Schülerzahlen, der Berücksichtigung des Elternwillens und den Herausforderungen der Inklusion) sichergestellt werden.
- Ganztagsbeschulung und Profilbildung sollen dabei helfen, Angebote, insbesondere im ländlichen Raum, zukunftsfähig zu halten.
Der Ausbau zu wirklich inklusiven Schulen ist nur im Rahmen von Ganztagsbildung denkbar. U.a. deshalb – aber auch zur besseren Profilbildung – setzen wir uns für die Ausweitung dieses Angebotes ein. Dabei gilt es, intelligente Ganztagsbildungsmodelle zu entwickeln, die außerschulische Lernorte, außerschulische Kooperationspartner und die Akteure im Sozialraum einbeziehen. Die vorhandenen Betreuungssysteme wollen wir zu Ganztags-bildungssystemen weiterentwickeln.
Das Ganztagssystem sollte auch im Grundschulbereich angeboten und bei geringen Schülerzahlen als jahrgangsübergreifendes Modell und Konzept, z. B. für Bildungshäuser, weiterentwickelt werden, sofern dies pädagogisch sinnvoll und finanzierbar ist.
Darüber hinaus ist die Vielfalt des Schulsystems auch ein wirtschaftlicher Standortfaktor, dem Rechnung zu tragen ist. So unterstützen wir die Profilbildung einzelner Schulen, um sie auf Dauer zukunftsfähig zu erhalten.
- Den Herausforderungen der Inklusion – insbesondere die Auflösung der Förderschulen – muss mit ausreichend Personal durch das Land Nieder-sachsen und einer entsprechenden Ausstattung der Schulen begegnet werden.
Wir treten für ein inklusives Schulsystem ein und fordern eine möglichst lange gemeinsame Beschulung, wie sie schon heute an Integrierten Gesamtschulen praktiziert wird. So streben wir mittelfristig die Umwandlung der vorhandenen Oberschulen in Integrierte Gesamtschulen an. Ausschlaggebend für eine solche Umwandlung wird jedoch nicht unser Bestreben, sondern muss der Wille der Eltern vor Ort sein. [4]
Auf dem Weg zur Inklusion muss der Schulträger durch unterstützende Maßnahmen den Prozess der Umgestaltung begleiten. Es ist wichtig, Lehrerinnen und Lehrer, Eltern, pädagogische Mitarbeiter sowie Schülerinnen und Schüler am Veränderungsprozess zu beteiligen und die Arbeit finanziell abzusichern.
Des Weiteren fordern wir die Einbeziehung und personelle Verortung des früheren Förderschulpersonals in den Regelschulen.
Wir haben das Ziel, an allen allgemeinbildenden Schulen des Landkreises unterstützende pädagogische Systeme zu installieren. Diese „Unterstützungszentren“ können z.B. aus Förderschulkollegen, Fachkräften für Inklusion, SozialpädagogInnen, Sprach- LerntherapeutInnen, JugendamtsmitarbeiterInnen oder Fachkräften für Deutsch als Zweitsprache bestehen.
In diesem Zusammenhang ist dem Anliegen Rechnung zu tragen, dass sozial auffällige Schülerinnen und Schüler in unserem Landkreis dringend weitergehender Unterstützung bedürfen.
- Neben den Angeboten in den Städten Hameln und Bad Pyrmont sollte die schulische Infrastruktur im ländlichen Raum weitestgehend erhalten bleiben. Dazu gehören für uns auch weiterführende Schulen – dazu gehört aber auch eine größere Vielfalt pädagogischer Konzepte.
Schülerinnen und Schüler sind individuell sehr unterschiedlich, daher brauchen wir im Landkreis eine gute Bandbreite schulischer Angebote. Flankierend wäre es zu begrüßen, wenn die Vielfalt der pädagogischen Konzepte (z. B. Montessori, Jenaplan, Waldorf) stärker Eingang ins öffentliche Schulwesen fänden, um allen Kindern und Jugendlichen einen Zugang zu reformpädagogischen Ansätzen zu ermöglichen.
Wir brauchen eine große Vielfalt, um der Heterogenität der Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden und den Erwartungen der Eltern entgegenzukommen. Entsprechende Initiativen brauchen politische und verwaltungsseitige Unterstützung. Eine wie auch immer geartete Privatisierung schulischer Bildung, die Kinder einkommensschwacher Eltern ausgrenzt, lehnen wir ab.
- Sowohl bei den Städten als auch beim Landkreis stehen wir vor gravierenden finanziellen Herausforderungen. Es bedarf daher eines genauen Blicks auf die vorzuhaltenden Angebote, den Aus- und Umbaubedarf sowie anstehende Renovierungsarbeiten. Auf keinen Fall darf hierunter jedoch die fachliche und pädagogische Qualität des Bildungsangebotes leiden.
Wir treten, bezogen auf die weiterführenden Schulen, nur dann für die Finanzierung von Schulneubauten oder -umbauten sowie Sanierungen ein, wenn sie perspektivisch notwendig und in eine Schulentwicklungsplanung für den gesamten Landkreis eingebunden sind. Zu den aktuellen „Wanderungsbewegungen“ in Richtung der Hamelner Gymnasien und der IGS siehe auch Abb. 5 und 6. Die in der Prüfungsmitteilung des Landesrechnungshofes genannten Einsparpotentiale sind zu prüfen.
- Eltern, Lehrerinnen und Lehrer brauchen mehr professionelle Unterstützung bei Entwicklungsauffälligkeiten, psychischen Problemen oder auch Schulangst bei Schülerinnen und Schülern.
Neben den unterstützenden pädagogischen Zentren an den Schulen wäre die Einrichtung eines regionalen Beratungszentrums denkbar, das Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler bei Schwierigkeiten im Schulleben berät – auch in sehr schwierigen Fällen bei Vorliegen sozial-emotionaler Entwicklungsstörungen. Es ist nicht hinzunehmen, dass Kinder und Jugendliche, die unter schweren psychischen Problemen leiden, in unserem Landkreis zum Teil länger als ein halbes Jahr auf entsprechende Therapieangebote warten müssen.
Darüber hinaus muss es für SchülerInnen mit sozial-emotionalen Entwicklungsauffälligkeiten weitere Angebote [5] geben, die die Lehrerinnen und Lehrer in der Schule unterstützen und Schülerinnen und Schüler vorübergehend nach besonderen pädagogischen Konzepten beschult.“
[1] Klassenstufen 5 bis 10 bzw. 11 bis 12/13
[2] Hier sei angemerkt, dass der Text im August 2014 noch lautete: „… zu festigen und nach Möglichkeit auszubauen“. Diese Fassung wurde nach einem Arbeitsgespräch am 05.11.2014 geändert – die von der Stadtverwaltung vorgelegten Prognosen (siehe Abb. 3 bzw. 4) deuten jedoch weiterhin auf einen geplanten Ausbau des Schulstandortes hin.
[3] Zu prüfen wäre, welche Rolle der bereits eingesetzte Schulträgerbegleitausschuss hier spielen könnte. Leider hat seine Arbeit bis heute zu keinen nennenswerten Ergebnissen geführt …
[4] Aktuell übersteigt die Nachfrage nach Plätzen an Integrierten Gesamtschulen das Angebot. So müssen leider derzeit an der IGS Hameln Schülerinnen und Schüler abgelehnt werden, weil nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen.
[5] z. B. „Mobile Teams“ – wie an der „Schule auf der Bult“ in Hannover praktiziert