Fukushima Mahnwache in Bad Pyrmont

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Zur FukushimaMahnwache in Bad Pyrmont sprachen die GRÜNE Ratsfrau Leonie Glahn und unsere Landtagskandidatin im Wahlkreis 35/Bad Pyrmont, Britta Kellermann vor einem überschaubaren, fast familiären Kreis. Hier ein paar bildliche Eindrücke und die Rede von Britta Kellermann im Wortlaut:

Liebe Freundinnen und Freunde,

während sich heute zum 11. Mal der Super-Gau von Fukushima jährt, hat die Internationale Atomenergiebehörde den Kontakt zu den Atomanlagen in Tschernobyl und Saporischschja in der Ukraine verloren. Die Stromversorgung der Reaktorruine in Tschernobyl wurde gekappt. Beide Atomanlagen senden derzeit keine öffentlichen Messdaten, so dass eine internationale Überwachung nicht möglich ist. Zumindest Tschernobyl läuft seit Mittwoch auf Notstromaggregaten, die eigentlich nur 48 Stunden überbrücken können. Da die Brennelemente sich bereits seit über 20 Jahren im Abklingen befinden, wird dennoch davon ausgegangen, dass ein Ausfall der Kühlung zumindest keine kurzfristige Strahlungsfreisetzung bedeuten würde. Mittelfristig würde das Kühlwasser jedoch verdampfen und ein Betreten des Lagers durch das Sicherheitspersonal wäre nicht mehr ohne weiteres möglich.

Das Reaktorgelände in Tschernobyl wurde am 24. Februar militärisch durch Russland eingenommen. Seitdem wurde das Personal nicht mehr ausgewechselt und arbeitet in allen drei Schichten durch. Den damit verbundenen psychischen und körperlichen Stress bei gleichzeitiger Besetzung durch das russische Militär können wir uns vermutlich gar nicht ausmalen. Wir können nur hoffen und beten und eine Kerze anzünden, damit das für uns alle am Ende gut ausgeht. Und wir können uns mit unserer Forderung an Herrn Putin wenden,

dem Personal eine Atempause zu gönnen,

einen Schichtwechsel zu ermöglichen

und der internationalen Atomenergiebehörde Zutritt zum Gelände zu verschaffen.

Was uns heute eint, ist die Ohnmacht angesichts der Skrupellosigkeit eines Krieges, der uns in eine unsichere Welt katapultiert hat. Vielleicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt, zu sagen „wir haben es schon immer gewusst“. Aber genau das ist der Fall.

Es ist in den letzten 50 Jahren wohl keine Anti-Atom-Demo vergangen, in der nicht auch Friedensbewegte auf die Gefahr der militärischen Vereinnahmung ziviler Atomanlagen hingewiesen hätten.

Zuletzt wurde das Argument durch Nine/Eleven verstärkt und Anti-Atom-Initiativen machten immer wieder darauf aufmerksam, dass die Atomanlagen nicht vor derartigen Angriffen oder auch nur abstürzenden Flugzeugen geschützt sind. Aber unsere Gesellschaft wähnte sich in Sicherheit und sah keine Notwendigkeit, zu handeln…

Die Nutzung von Atom-Energie ist und bleibt ein Spiel mit dem Feuer und es ist entsetzlich, dass die Europäische Kommission im Rahmen der Taxonomie Atomenergie als nachhaltig eingestuft hat.

Die Ereignisse in der Ukraine und das skrupellose Vorgehen Russlands führen uns nun vor Augen, dass etwas, dass unsere Bevölkerung derartigen Risiken aussetzt, niemals nachhaltig sein kann!

Dass eine Risikotechnologie, wenn sie im Rahmen von kriegerischen Auseinandersetzungen in die falschen Hände gerät, niemals nachhaltig sein kann!

Dass eine Energieform, die ganze Landstriche unbewohnbar machen kann, niemals nachhaltig sein kann!

Dass die Sicherheit, in der wir uns wähnten, trügerisch war…

Eine Renaissance der Atomkraft darf es nicht geben. Das müsste jetzt eigentlich auch den Letzten klargeworden sein. Die EU muss ihre Entscheidung zur Taxonomie zurücknehmen. In Europa dürfen keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden!

Es gibt mit der Atomenergie ein weiteres Problem, auf das wir seit Jahrzehnten aufmerksam machen. Sie verhindert den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Sie verstopft gleichsam die Netze. Während Windenergieanlagen aufgrund ihrer Flexibilität häufig gedrosselt werden, speisen Atomkraftwerke auch in windreichen Zeiten ungedrosselt ins Netz ein. Atomkraftwerke sind technisch so ausgelegt, dass sie Tag und Nacht gleichermaßen Strom liefern müssen. Sie können nicht innerhalb weniger Stunden herunter- und anschließend wieder heraufgefahren werden. Das gleiche gilt im Übrigen für die klimaschädlichen Kohlekraftwerke.

Und wieder ist es unerträglich zu einem solchen Zeitpunkt zu sagen „wir haben es schon immer gewusst.“ Aber so ist es.

Die Energiewende ist ein Friedensprojekt!

Einer ihrer Vordenker war, der viel zu früh verstorbene, Hermann Scheer. In seinem Buch „Der energETHISCHE Imperativ beschreibt er die Demokratisierung des Strommarktes durch Erneuerbare Energien. In einer Bestandsaufnahme schreibt er:

„Jahrzehntelang hat die Atomenergie davon abgelenkt, dass die erneuerbaren Energien die originäre Alternative zu fossilen Energien darstellen. Der Atomenergie wurde die tragende Rolle für das nachfossile Zeitalter zugedacht, sogar mit Ausschließlichkeitsanspruch. Wäre stattdessen vor einem halben Jahrhundert mit derselben Intensität auf Erneuerbare Energien gesetzt worden, so hätten wir wahrscheinlich heute kein die Weltzivilisation bedrohendes Klimaproblem. Wir hätten dann keine Energiekriege erleben müssen wie den Golfkrieg oder den Irakkrieg. Es gäbe deutlich weniger Luftverschmutzung und weniger Krankheiten – und keinen Atommüll, von dem wir nicht wissen, wo, wann, und wie wir ihn dauerhaft und sicher lagern sollen und welche Probleme und Kosten er für undenkbar lange Zeiträume hinterlässt.“

Er schrieb das 2010 – lange vor Fridays For Future – für seine Enkelin Lilli. Ein Prophet und ein einsamer Rufer in einer Partei, die unter Helmut Schmidt die Weichen für die Atomkraft in Deutschland setzte.

Und so schlage ich den Bogen in unsere Region. Denn mit dem Rückbau des AKW Grohnde und vieler anderer AKWs in ganz Deutschland, steht die Endlagerfrage jetzt auch vor unserer Haustür.

Mit dem Standortauswahlgesetz wurde ein Endlagersuchprozess für hochradioaktive Abfälle in Gang gebracht. Die BGE hat 2020 den ersten Teilgebiete-Bericht vorgelegt. 80% der niedersächsischen Landesfläche sind demnach weiterhin im Suchverfahren. Auch die gesamte Fläche des Landkreises Hameln-Pyrmont ist weiterhin Suchgebiet.

Das Zwischenlager am AKW-Standort in Grohnde wird uns noch viele Jahrzehnte erhalten bleiben um die hochradioaktiven Abfälle in Castoren so lange zu lagern, bis irgendwo in Deutschland ein Endlager gefunden und hergerichtet wurde, das den Ewigkeitsanforderungen am wenigsten schlecht genügt. 
 
Doch auch der Umgang mit den schwach- bis mittelradioaktiven Abfällen und den freigemessenen Abfällen, die beim Rückbau des AKW Grohnde anfallen werden, wird uns in den nächsten Jahrzehnten beschäftigen.

Die bisherigen Rückbaupläne sehen die Verbringung der schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle in das, von Anti-Atom-Initiativen immer als ungeeignet gesehene, Erzbergwerk Schacht Konrad vor. Der Schacht Konrad ist weder qualitativ noch quantitativ in der Lage alle schwach- bis mittelradioaktiven Abfälle aus ganz Deutschland und die zurückzuholenden Abfälle aus der Asse kurzfristig aufzunehmen. 

Deshalb wird jetzt nach einem Zwischenlager für schwach- bis mittelradioaktive Abfälle gesucht. Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, in unserem Nachbarlandkreis, in Würgassen, ein Bereitstellungslager für diese Abfallarten einzurichten. Das würde bedeuten, dass aus ganz Deutschland auch durch den Landkreis Hameln-Pyrmont, schwach- bis mittelradioaktive Abfälle über schlecht ausgebaute Straßen an einen völlig ungeeigneten Standort im Überschwemmungsgebiet transportiert würden. Dabei muss man sich klar machen, dass jeder Transport für die Bevölkerung ein zusätzliches Gefährdungsrisiko birgt.
 
Völlig ungeklärt ist bislang, was mit den freigemessenen Abfallarten aus dem Rückbau des AKW Grohnde passieren soll. Dabei handelt es sich um Abfallarten, deren Strahlungsdosis rein rechnerisch 10 Mikrosievert pro Jahr und pro Person voraussichtlich nicht übersteigt.

Bei der Freigabe werden die leicht kontaminierten Abfälle aus dem Atomgesetz entlassen und dem Kreislaufwirtschaftsgesetz zugeführt. Bundesweit werden diese Art Abfälle auf Deponien der Schadstoffklassen 1+2 eingelagert. Die Deponiebetreiber können bei der Annahme nicht erkennen, ob die Abfälle aus dem Kontrollbereich oder aus anderen, unbelasteten, Bauteilen des AKW stammen.

Die Preussen Electra bleibt in ihrem Planfeststellungsantrag bislang den Nachweis schuldig welche Deponie bereit ist, ihre Abfälle aufzunehmen. Wir müssen also davon ausgehen, dass diese Abfälle in die – ganz zufällig, ganz in der Nähe – geplante Klasse 1 Deponie im stillgelegten Steinbruch Ith gebracht werden. In ein Landschaftsschutzgebiet, umgeben von europäischen Naturschutzflächen und Trinkwasserschutzgebieten. Und ganz ohne, dass dies im Planfeststellungsantrag für die Deponie überhaupt berücksichtigt werden müsste.

Liebe Freundinnen und Freunde, wer geglaubt hat, mit dem Abschalten der Atomkraftwerke sei die letzte Schlacht geschlagen, hat sich getäuscht. Gerade jetzt kommt es auf uns an. Bleibt bitte wachsam und erhebt eure Stimme auch dann schon, wenn Ihr nur ahnt, dass irgendwo ein Unrecht geschieht!

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